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Stanford University in Berlin

Krupp Internships / Praktika

35 Jahre: 1982-2017 - Erfahrungsberichte

Eric Yoon

Das Krupp-Programm und Stanford in Berlin ermöglichten es mir, einige Jahre nach der Wiedervereinigung in Berlin und Meißen zu leben, zu studieren und zu arbeiten. Obwohl das schon mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt, sind die Erinnerungen an diese Zeit immer noch lebendig, da die Erfahrungen an diesen Orten mich stark geprägt haben.

Die vielen Menschen, denen ich in dieser Zeit begegnet bin, haben mich im großen und ganzen mit offenen Armen empfangen. In Meißen, einer kleinen Stadt im Herzen Ostdeutschlands, war damals kaum etwas seltsamer als der Anblick eines koreanisch-amerikanischen Jungen wie ich, der die verschlungenen mittelalterlichen Gassen entlanglief und ein kaum verständliches Deutsch brabbelte. Trotzdem, viele Menschen – junge und alte, arbeitende und arbeitslose, solche mit großen Erwartungen an die deutsche Vereinigung und solche mit Angst vor ihren Folgen – nahmen mich zu Ausflügen mit, sättigten mich mit Bratwurst und Bier, luden mich in ihre Familien ein und ließen mich an ihren Geschichten teilhaben. Dafür werde ich immer dankbar sein.

Die Lehren dieser Zeit waren sehr einprägsam. Was habe ich gelernt? Daß der Einfluß historischer Ereignisse – wie der Fall des Eisernen Vorhangs – auf den einzelnen Menschen kolossal und komplex ist und nie durch ein Schlagwort oder eine griffige Formel erfaßt werden kann. Daß der Durchschnittsmensch "von der Straße" eine erstaunliche Lebensgeschichte zu erzählen vermag und dir gegenüber völlig neu definieren kann, was es heißt, ein liebenswürdiger und großzügiger Mensch zu sein. Und daß so vieles von dem, wer wir sind und was wir erreicht haben, nicht nur davon abhängt, welche Entscheidungen wir treffen, sondern auch davon, unter welchen Bedingungen wir zufällig geboren werden (wie z.B. davon, hinter welcher Seite des Eisernen Vorhangs wir auf die Welt kamen).

Meine Zeit bei Stanford in Deutschland hat mich inspiriert, bewegt und bescheidener werden lassen. Ich werde diese Zeit nie vergessen.

Eric Yoon, Stanford in Berlin-Student 1992
Praktikant am Europa-Zentrum Meißen e.V. im Frühjahr 1993
Patentanwalt bei Beyer, Weaver and Thomas, Oakland

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Brigid Doherty

Ab April 1986 verbrachte ich als Studentin der Malerei einige Monate an der Berliner Hochschule der Künste (heute Universität der Künste). Mit einer Klasse talentierter und intellektuell anspruchsvoller Meisterschüler arbeitete ich im Atelier von Professor Hans-Jürgen (Hajo) Diehl an eigenen Bildern. Die Idee, mich als eine der ersten nicht-naturwissenschaftlichen Praktikantinnen in diesem besonders kreativen Bereich einzusetzen, stammte von Karen Kramer. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Während ich bei Stanford in Kalifornien auf meinen Abschluß in Bildender Kunst und in Theorie und Literatur der Moderne hinarbeitete, wurde bei Stanford in Berlin gerade das Krupp-Praktikantenprogramm erweitert. Karen hatte ich kennengelernt, als sie im Programm für "Structured Liberal Education" in Stanford als Gastprofessorin unterrichtete, und vermutlich spürte sie damals, daß Berlin für mich der passende Ort war, um meine Kenntnis moderner Literatur und Kunst zu erweitern und zugleich unter neuen und anspruchsvollen Bedingungen praktisch im Atelier zu arbeiten. An der HdK zu lernen, wie man auf Deutsch kommuniziert, und zugleich zu versuchen, mit einer Gruppe ambitionierter und handwerklich fortgeschrittener Kunststudenten mitzukommen (oder wenigstens mit ihr zurechtzukommen), war sehr aufregend und mitunter einfach überwältigend.

In Berlin erweiterte ich meinen intellektuellen Horizont, ich lernte eine neuen Sprache zu sprechen und in ihr zu denken und zwar anders als je zuvor, ich vertiefte meine Kenntnis moderner Kultur und hier erhielt ich in einer neuen und fordernden Umgebung die Gelegenheit, mich in der Malerei zu versuchen. Aber meine Berlin-Erfahrung bewirkte nicht nur das – sie veränderte meinen Lebensweg! 1987, nach meinem Abschluß in Stanford, entschloß ich mich, mein geisteswissenschaftliches und mein Kunstinteresse in einer kunstgeschichtlichen Promotion mit dem Schwerpunkt Deutsche Moderne zusammenzuführen. Seitdem stehen moderne und aktuelle deutsche Kunst und Literatur und besonders die Kultur der zwanziger sowie der sechziger und siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts im Zentrum meiner akademischen Arbeit. Mir ist bewußt, daß die Felder meiner Kompetenz als Wissenschaftlerin mit Themen zusammenhängen, die zuerst durch meine Studien in Literatur und Kunstgeschichte bei Karen Kramer, Franz Neckenig und Maria Biege am Berliner Stanford-Zentrum und bei Hajo Diehl an der HdK kennenlernte. Hajo Diehl ist gut bekannt als "kritischer" oder "häßlicher Realist". Er gehörte zu den Gründern der "Sektion Großgörschen 35", einem Künstlerkollektiv, das ab Mitte der Sechziger in seiner Kunst wie in den öffentlichen Stellungnahmen zu seinen Ausstellungen darauf bestand, daß Malerei noch immer als ein Medium scharfer intellektueller und politisch sachkundiger Kritik an den Bedingungen modernen Lebens betrachtet werden kann. Darin bezogen sich Diehl und seine Generation auf deutsche Maler der Zwanziger, besonders auf Veristen wie George Grosz und Otto Dix – Künstler, die Gegenstand meiner kunstgeschichtlichen Forschungen geworden sind.

Jedesmal, wenn ich einen Kurs über die Weimarer Epoche unterrichte, werden meine Erinnerungen an das Berlin der achtziger Jahre besonders lebendig und ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich es genieße, daß meine Beziehung zu meinem Lehrstoff noch auf etwas anderem als auf wissenschaftlichem Interesse beruht. Und obwohl ich keine Malerin geworden bin, bahnte das Krupp-Praktikum mir den Weg zu dem, was ich heute mache, und dies auf eine Weise, wie kein anderes Programm es hätte tun können – durch die Förderung von Interessen und Fähigkeiten, die ich bereits besaß, und durch die Hinführung zu völlig neuen, aber am Ende mit den vorhandenen doch in Zusammenhang stehenden Interessen und Fähigkeiten.

Brigid Doherty, Stanford in Berlin-Studentin im Winter 1986
Praktikantin an der Hochschule der Künste im Frühjahr 1986
Associate Professor of German and Art & Archaeology, Princeton University

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Netithorn Netty Praditsarn

Ich gratuliere zum 25. Jahrestag des Krupp-Praktikantenprogramms! Ich bin noch immer dankbar, daß das Krupp-Praktikum einem internationalen Stanford-Studenten aus Thailand wie mir gestattete, deutsche Arbeitskultur und Arbeitsethik in ihrer besten Form zu erfahren. Das Praktikum übertraf meine kühnsten Vorstellungen – so eine Gelegenheit war der Grund, weshalb ich mich überhaupt für das Stanford in Berlin-Programm bewarb. Durch das Krupp-Praktikantenprogramm erhielt ich die Möglichkeit, am Wissenschaftszentrum Berlin für Professor Dr. Udo E. Simonis zu arbeiten.

Professor Simonis' großartiger Unterricht in Umweltpolitik und -wirtschaft führte dazu, daß ich ein Jahr später meine Magisterarbeit über Thailands Garnelenindustrie schrieb. Jetzt, da ich an Thailands Außenministerium in den diplomatischen Dienst eingetreten bin, sind mir die Arbeitsdisziplin und die Organisationsfähigkeiten, die ich mir bei Professor Simonis abgeschaut habe, sehr nützlich. Zum Beispiel lernte ich, auf der Rückseite von Visitenkarten sowohl Ort und Zeit ihres Empfangs als auch eine kurze Beschreibung der betreffenden Person festzuhalten. Das half mir, mich an die vielen Diplomaten zu erinnern, die ich inzwischen auf der ganzen Welt getroffen habe.

Professor Simonis hielt mich auch zu einer ausgeglichenen Lebensführung an. Nie zuvor hatte ich jemanden erlebt, der so fleißig und effizient war wie er, und doch bedeutete ihm die Familie sehr viel. "Es ist wichtig, klare Prioritäten zu setzen", sagte er eines Tages zu mir. Ich verstand das erst richtig, als mich meine Mutter in Berlin besuchte. Während ihres Besuches war er es, der mich drängte, meinen Arbeitsplatz zu verlassen und Zeit mit meiner Mutter zu verbringen. Er sagte, "Zuhause wartet etwas Wichtigeres auf Dich". Erst da ging mir auf, daß man seine Prioritäten im ganzen Leben klar setzen muß, nicht nur in der Arbeit.

Ich weiß, daß ich der Krupp-Stiftung nie genug für ihre Großzügigkeit danken kann. Um meine Wertschätzung zu zeigen, habe ich gegenüber Deutschen und anderen immer gesagt: "Durch das Krupp-Programm hatte ich das Glück, in Deutschland zu arbeiten – und ich habe eine Menge gelernt."

Netithorn Netty Praditsarn, Stanford in Berlin-Student in Herbst und Winter des Studienjahres 1996-97
Praktikant am Wissenschaftszentrum Berlin im Frühjahr 1997
Zweiter Sekretär, Außenministerium des Königreichs Thailand

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Andrea Everett

Im Sommer 2002 habe ich ein Praktikum beim Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit in der Abteilung für die Koordination der deutschen Politik mit der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds absolviert. Das war für mich eine großartige Chance, meinem Interesse an politischer und ökonomischer Entwicklung nachzugehen und etwas über einen Aspekt deutscher Politik zu erfahren, den viele Menschen niemals kennenlernen. An dieser Stelle für die deutsche Regierung zu arbeiten, war eine einzigartige Gelegenheit für eine amerikanische Studentin und ohne das Krupp-Programm wäre mir das nicht möglich gewesen. Die Zeit, die ich bei Stanford in Berlin und mit dem Krupp-Programm verbracht habe, hat mich darin bestärkt, nach dem Bachelor-Abschluß mit einem Fulbright-Stipendium nach Berlin zurückzukehren. So verbrachte ich das darauffolgende Jahr damit, mein Interesse an europäischer Politik und transatlantischen Beziehungen, das sich während meines ersten Aufenthaltes in Deutschland herausgebildet hatte, weiter zu verfolgen. Viele der besten Erinnerungen und Erfahrungen meiner Studienzeit sind mit Stanford in Berlin und dem Praktikantenprogramm verbunden. Diese Aufenthalte haben meine weiteren akademischen Entscheidungen in besonderem Maße beeinflußt, sowohl im Bachelor-Studium als auch in der Doktorandenausbildung.

Andrea Everett (Politikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaften), Stanford in Berlin-Studentin im Frühjahr 2002
Praktikantin am BMZ in Bonn im Sommer 2002
Zur Zeit Promovendin am Department of Politics, Princeton University

 

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Tobin Cooley

Die Möglichkeit, wirklich innerhalb der deutschen Kultur zu leben und zu arbeiten, bescherte mir eine lebensverändernde Erfahrung. Durch mein Krupp-Praktikum gelangte ich zu einem nahezu leiblichen Verständnis des deutschen Zeitgeistes, besonders weil es nicht lange nach dem Mauerfall stattfand. Das Selbstvertrauen, daß ich in meiner Fähigkeit, in einer fremden Kultur gut zurechtzukommen, erwarb, erwies sich für mich persönlich wie beruflich als sehr wertvoll. Zum Beispiel: Erst gestern konnte ich als Moderator einer Technologiekonferenz einen deutschen Professor vorstellen (auf Deutsch, was ihn sehr überraschte) und zugleich dadurch, daß ich in der Lage war, meine Erfahrungen in Deutschland mit ihm zu diskutieren, einen wichtigen Kontakt herstellen. Ich werde ihn Ende des Monats in Stuttgart besuchen, um seine jüngsten Forschungen in eines meiner Schlüsselprojekte aufzunehmen. Ohne meine Erfahrungen mit dem Krupp-Praktikantenprogramm wäre ich nicht in der Lage gewesen, eine derartige Verbindung herzustellen.

Tobin Cooley (Ingenieurwesen), Stanford in Berlin-Student 1990
Praktikant am Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe im Winter 1991
Gründer und Hauptgeschäftsführer von Listen Acoustics, Portland, Oregon.

 

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Todd Pope

Wenn ich über den Einfluss des Krupp-Praktikantenprogramms auf mein Leben und meinen Werdegang nachdenke, erscheint es mir ganz sicher als eine prägende Erfahrung, ein Erlebnis, das dazu führte, dass der Zufall in meinen weiteren Leben eine nicht unwesentliche Rolle spielte. Beispielhaft dafür ist die Tatsache, dass ich mir als junger Amerikaner, der vor dreißig Jahren am Krupp-Praktikantenprogramm teilnahm, nicht vorstellen konnte, diese Zeilen einmal in Tuttlingen zu schreiben, einer Stadt, in der ich nun seit drei Jahren zuhause bin.

Zweifelsohne bereitete mich dieses kulturelle Eintauchen gut auf mein Praktikum in der Bad Homburger Firmenzentrale von Hewlett-Packard in der Abteilung Verkauf und Marketing vor. Das in Berlin gewonnene Selbstvertrauen ermöglichte es mir, nach sinnvoller, praktischer Berufserfahrung zu streben und durch die Anwendung des Gelernten einen messbaren Beitrag zu leisten. Meine Gastgeber bei HP waren außerordentlich entgegenkommend und ließen mich an Aufgaben teilhaben, die von der Marktforschung über die Softwareprüfung bis zum technischen Service reichten. Ich hatte das große Glück, dass ich an einer wichtigen Produkteinführung teilnehmen konnte und auch mein Praktikum verlängern durfte. So konnte ich auch im Sommer bei HP bleiben und die Einführung eines Produkts an der Alten Oper in Frankfurt unterstützen.

Nach dieser überaus bereichernden Erfahrung mit dem Krupp-Praktikum kehrte ich nach Kalifornien zurück, um mein Studium zu beenden. Ich blieb in engem Kontakt mit den anderen Krupp-Praktikanten, auch mit deutschen Freunden, und ich fungierte als Mentor für junge Deutsche, die für ein Sommerquartal nach Stanford kamen. Durch einen erneuten glücklichen Umstand konnte ich mich nach meinem Studienabschluss als Ingenieur 1987 erfolgreich auf die Stelle des Praktikumskoordinators für das Krupp-Programm in Berlin bewerben. Mit großer Dankbarkeit kehrte ich nach Berlin zurück, um meine Deutschland-Odyssee fortzusetzen. Während meiner Zeit als Praktikumskoordinator wuchs das Praktikantenprogramm weiter und umfasste nun neben den MINT-Fächern auch Praktikumsmöglichkeiten für Studenten aus den Geistes- und Sozialwissenschaften. Während dieser zwei Jahre war es uns möglich, rund 80 Stanford-Studenten in Krupp-Praktika zu vermitteln. Dabei entstanden bis heute anhaltende Freundschaften mit Deutschen, mit Stanford-Mitarbeitern und natürlich mit anderen Krupp-Praktikanten.

Die allermeiste Zeit meiner Berufslaufbahn hindurch bestanden Beziehungen zu Deutschland. Meine erste Arbeitsstelle in den Vereinigten Staaten hatte ich bei Aesculap, einer deutschen Firma. Danach beteiligte ich mich an einem Start-Up-Unternehmen, das von einem Amerikaner und zwei deutschen Kollegen gegründet worden war. Unsere Geschäfte verliefen so erfolgreich, dass wir sie an eine Firma der US-amerikanischen „Fortune-Liste“ der 100 besten Unternehmen verkaufen konnten. Dann nahm ich ein Zweitstudium in Angriff und schrieb mich für ein Vollzeit-MBA-Programm an der University of California ein. Es erscheint nun wenig überraschend, dass ich einen Teil meines MBA-Studiums an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf absolvierte. Während dieser Zeit wohnte ich in Mülheim an der Ruhr bei einem meiner deutschen Freunde, den ich während meines Krupp-Praktikums bei Hewlett-Packard kennengelernt hatte.

Der Weg, der zu meiner jetzigen Anstellung bei Aesculap in Süddeutschland führte, war alles andere als naheliegend. Ich wechselte mehrmals zwischen meiner Heimat in Kalifornien und den verschiedenen Orten in Deutschland, die ich ebenfalls mein Zuhause nannte. Durch diese Wechsel habe ich gelernt, dass die Lebensweise eines "Expats" das Ergebnis sehr persönlicher und auch schwerer Entscheidungen ist, die sich aber zweifellos auch lohnen. Eines ist sicher: Ich würde heute nicht die Vorteile einer vollständigen Integration in die deutsche Gesellschaft genießen, hätte ich seinerzeit nicht die Erfahrung eines Krupp-Praktikanten gehabt und auch die Erfahrung all der darauffolgenden Jahre des Lebens in Deutschland.

Meine heutigen Kollegen necken mich damit, dass ich ein echter Schwabe geworden sei, was ich als großes Kompliment betrachte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt trifft dieses Label zu und unabhängig davon, was die Zukunft bringen wird, weiß ich weiß, dass ich immer eine tiefe Verbindung zu Deutschland haben werde.

Todd Pope, Stanford in Berlin-Student 1984
Praktikant bei Hewlett-Packard, Bad Homburg, im ersten Halbjahr 1985
Vice President R&D – Design Capability & Service Innovation, B.Braun Aesculap AG, Tuttlingen

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R. Judge Gregg

Auch zwei Jahrzehnte und zwei Stanford-Abschüsse später halte ich nach wie vor meinen Aufenthalt bei Stanford in Berlin und meine Teilnahme am Krupp-Praktikantenprogramm für die wichtigste Arbeitserfahrung, die ich während meiner Lehrjahre sammeln durfte. Ich kam als angehender Umweltingenieur nach Berlin und verließ die Stadt in der festen Überzeugung, später auf dem Gebiet der internationalen Umweltpolitik arbeiten zu wollen. Auch verließ ich Berlin als ein weitaus leistungsfähigerer Mensch.

Die akademische Erfahrung bei Stanford in Berlin war einzigartig. Hier hatte ich die Möglichkeit, bei optimalen Bedingungen in einem kleinen Kurs von einem der weltweit führenden Umweltforscher zu lernen, und da dieser Dozent ebenfalls zu Gast in Berlin war, fand der intellektuelle Austausch häufig auch außerhalb des Kurses statt. Ich fand großen Gefallen am Gegenstand seines Unterrichts, doch gleichzeitig wurde mir klar, dass es besonders seine politische Arbeit war, die mich interessierte.

Für mein Krupp-Praktikum blieb ich in Berlin und arbeitete dort für den Projektträger Biologie, Energie, Ökologie (PT BEO), eine Einrichtung, die für die Verwaltung öffentlicher Gelder im Bereich Umweltforschung zuständig war. Die Arbeit für PT BEO erlaubte mir, besser zu verstehen, wie in Deutschland im Vergleich zu den USA die Finanzierung von Umweltforschung organisiert wird. Meine Vorgesetzten baten mich unter anderem, die umweltpolitischen Gesetzesentwürfe der damals gerade neu ins Amt gekommenen US-Regierung unter Clinton und Gore zu analysieren, um anschließend besser einschätzen zu können, inwieweit dadurch auch Auswirkungen auf ihre Arbeit in Berlin zu erwarten seien. Zum einen lernte ich also Forschungsprojekte kennen, in die PT BEO involviert war, während ich zum anderen Gesetze einer neuen amerikanischen Regierung untersuchte. Dieser starke Kontrast führte mir die Unterschiede zwischen der Arbeit eines Umweltwissenschaftlers und der eines politischen Analysten klar vor Augen, wobei mir letztere weitaus interessanter schien. Ich entwickelte ein Verständnis für globale Charakteristika von Lösungsansätzen im Umweltsektor und für die Tatsache, dass unterschiedliche Länder hierbei unterschiedliche Herangehensweisen pflegen.

In Berlin zu leben und zu arbeiten bereitete mich – wenn auch nicht in offensichtlicher Art und Weise – darauf vor, mit unerwarteten beruflichen Herausforderungen umzugehen. Das wurde deutlich, als ich einige Jahre nach meinem Abschluss mit anderen ehemaligen Krupp-Praktikanten zu Mittag aß. Erst schwelgten wir natürlich in Erinnerungen an Haus Cramer, an unsere Lieblings-Imbiss-Ständchen, an die besten Orte für Milchkaffee. Dann sagte schließlich jemand, ihn habe das Jahr stark positiv verändert. Wir verglichen unsere Aufzeichnungen und stellten fest, dass wir in der Tat alle deutlich fokussierter aus Berlin zurückkamen, und dass wir die Fähigkeit mitbrachten, mit unvorhergesehenen Situationen besser umzugehen.

Diese neuerworbenen Fähigkeiten sind, so glaube ich, das Resultat jener acht Monate, in denen ich viele kleine Dinge zu meistern hatte; Dinge, die rückblickend vielleicht doch gar nicht so klein waren. Während meines Praktikums arbeitete ich das erste Mal als regulärer Vollzeit-Angestellter in einem Büro. Ich hielt regelmäßig einen Gehaltsscheck in den Händen. Ich zahlte Miete. Ich zahlte Rechnungen. Ich suchte Ärzte auf. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durchquerte ich jeden Tag ganz Berlin. Und natürlich war da die Etikette der Arbeitswelt. Und all dies nicht in meiner Muttersprache. Insofern bin ich überzeugt, dass ich auch heute noch, wenn mich meine Arbeit vor eine schwierige Situation stellt, zum Teil aus jenem Selbstvertrauen schöpfe, welches ich entwickelte, als ich mit den Arbeitsanforderungen in Berlin konfrontiert war.

Zurück in Stanford änderte ich mein Hauptfach von Ingenieur- zu Umweltwissenschaften mit dem Fokus auf politische Fragestellungen. Später nahm ich ein Jurastudium auf. Seit dem Abschluss des Jurastudiums arbeitete ich für diverse Nichtregierungsorganisationen im Umweltsektor, als niedergelassener Rechtsanwalt, für die Regierung in Washington D.C. und im universitären Bereich. In jeder dieser Funktionen konnte ich wenigstens einen Teil meiner Arbeit jenen Fragen der internationalen Umweltpolitik widmen, die ich mir seinerzeit in Berlin vornahm.

Dr. R. Judge Gregg, Stanford in Berlin-Student 1992
Praktikant beim Projektträger Biologie, Energie, Ökologie in Berlin im Winter 1993
Prozessanwalt, Law and Policy Section, U.S. Department of Justice

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Nadia Elghobashi-Meinhardt

Mein Hauptfach war Chemie, und ich überlegte, ob ich im Anschluss an mein Bachelor-Studium lieber eine Graduiertenschule besuchen oder Medizinerin werden sollte. Ein Praktikum im medizinischen Bereich, dachte ich, würde mir bei dieser Entscheidung sicher weiterhelfen. Deshalb entschloss ich mich, am Praktikantenprogramm der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung teilzunehmen. Als mein Studienquartal im Juni 1998 zu Ende ging, war meine Anfrage für ein Krankenhauspraktikum in Bayern bewilligt worden und ich sollte mich in der Universitätsklinik Würzburg melden. Als Unterkunft bot man mir das Schwesternwohnheim an.

Während dieses Sommers begleitete ich Ärzte bei ihren Aufgaben und lernte dabei, wie man Blut abnimmt, sah bei Operationen und verschiedenen medizinischen Behandlungen zu, und durfte sogar die Geburt einiger Kinder selbst miterleben. Es war eine einmalige Erfahrung für mich. Überzeugt konnte ich nach dem Krupp-Sommerpraktikum jedoch auch sagen: Ein Medizinstudium ­– das ist nichts für mich.

Im Herbst 1998 kehrte ich nach Stanford zurück, um mein Aufbaustudium im Hauptfach Chemie und im Nebenfach Deutsch abzuschließen. Danach begann ich meine Promotion an der University of California in Irvine. Allerdings hatte ich mich zuvor in die Stadt Berlin verliebt – und wollte zurück in die deutsche Hauptstadt. Glücklicherweise erfuhr ich, dass der Deutsche Akademische Austauschdienst einjährige Stipendien für Forschungsaufenthalte an deutschen Universitäten anbot. Gleichzeitig war die Chemie-Fakultät der Freien Universität Berlin gerade dabei, ein zweisprachiges Master-Programm aufzubauen. Ich bewarb mich für die Förderung des DAAD und erhielt ein Stipendium zur Forschung an der Chemie-Fakultät der Freien Universität Berlin. Ich verschob meine Doktorandenstelle an der UC Irvine um ein Jahr und kam im Oktober 1999 zurück nach Berlin, wo ich bei der gleichen Gastfamilie unterkam, die mich schon ein Jahr zuvor aufgenommen hatte.

In diesem Jahr belegte ich einen Kurs mit dem Titel "Quantenchemie am Computer." Ich war begeistert von diesem Thema, das mich noch für viele Jahre in seinen Bann ziehen würde. Im Oktober 2000 kam ich erneut nach Berlin, diesmal jedoch ohne finanzielle Unterstützung, und begann mit jenem zweisprachigen Master-Studiengang der Chemie-Fakultät der FU Berlin. Nachdem ich im Januar 2002 meine Master-Arbeit zur Quantendynamik verteidigt hatte, begann ich in direktem Anschluss mit meiner Doktorarbeit und führte meine Forschung fort. Rückblickend war es ein großes Glück für mich, dass ich zu dieser Zeit jeden Tag in der Mensa zu Mittag aß, denn genau hier lernte ich meinen späteren Ehemann kennen, einen deutschen Bauingenieur.

Im Oktober 2005 verteidigte ich schließlich meine Doktorarbeit in Quantendynamik mit magna cum laude. Ab 2005 führte ich meine Forschungen fort und arbeitete sowohl in Berlin als auch in Heidelberg als Postdoktorandin. Im Jahr 2009 gewährte mir die Volkswagen-Stiftung Mittel für ein Forschungsprojekt in der theoretischen Biophysik, das ich an der FU Berlin durchführe. Ich lebe auch heute noch in Berlin-Zehlendorf und besuche regelmäßig meine ehemalige Gastfamilie, mit der ich eng befreundet bin.

Wenn ich auf die einzelnen Stationen meines bisherigen Weges zurückblicke, fühle ich große Dankbarkeit für die Menschen und Einrichtungen, die meine Karriere während der letzten 17 Jahre unterstützt haben. Ich möchte Stanford und der Krupp-Stiftung dafür danken, dass sie mich an das Arbeitsleben in Deutschland heranführten und dafür, dass sie in beruflicher wie in privater Hinsicht die Fundamente gelegt haben, auf denen ich schließlich mein Erwachsenenleben aufbauen konnte.

Unsere älteste Tochter besucht die zweisprachige John F. Kennedy-Grundschule in Berlin-Zehlendorf. Oft singt sie deutsche und englische Lieder und wenn ich ihr dabei zuhöre, fühlt es sich an, als wäre ich unmittelbare Zeugin der Entstehung einer neuen Generation deutsch-amerikanischer Verbundenheit. Es ist mir eine Ehre zu sagen, dass all dies nur durch Stanfords Überseeprogramm möglich wurde, an dem ich in Frühjahr und Sommer 1998 teilnahm.

Dr. Nadia Elghobashi-Meinhardt, Stanford in Berlin-Studentin im Frühjahr 1998
Praktikantin an der Chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik, Würzburg, im Sommer 1998
Junior Group leader, Institut für Chemie und Biochemie, Freie Universität Berlin

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Sonal Pandya

Mein von der Krupp-Stiftung finanziertes Praktikum absolvierte ich 1998 im Bereich Banken, Finanzmärkte und Regulierungen in der Forschungsabteilung der Deutschen Bank, der Deutschen Bank Research. Im Sommer 1998 stand die Einführung des Euro unmittelbar bevor und Asien befand sich im ökonomischen Ausnahmezustand. Meine hauptsächliche Aufgabe bestand im Verfassen eines Berichts für Firmenkunden über die Auswirklungen des Euro auf den asiatischen Markt. Darüber hinaus besuchte ich eine Vielzahl von Vorlesungen und Veranstaltungen quer durch alle Bereiche der Bank.

Das Praktikum hat meinen Karriereweg auf eine Weise beeinflusst, die für mich damals in keiner Weise vorhersehbar war. Heute bin ich Lehrstuhlinhaberin für Politische Ökonomie an der Universität von Virginia und mein Forschungsschwerpunkt ist die internationale Wirtschaftspolitik. Mein Praktikum bleibt die einzige berufsbezogene Erfahrung innerhalb des privaten Sektors.

Ein Erlebnis während meiner Praktikumszeit hat meine Lehre in direkter Weise beeinflusst: Ich nahm an einer Veranstaltung der „Lehr-Bundesbank“ innerhalb der Deutschen Bank Research teil. Das war ein ständiges Gremium, das regelmäßig zusammenkam, um Prognosen zu bevorstehenden Sitzungen der echten Bundesbank zu antizipieren. Jahre später griff ich diese Methode für die Lehre mit meinen Bachelorstudenten auf. Die Studenten simulieren dabei internationale Wirtschaftsverhandlungen, wobei jede Person eine bestimmte Rolle einnimmt, für die sie deren Motivation aus allgemeinen Grundsätzen ableiten muss. Die Studenten denken über ein mögliches Verhandlungsergebnis nach und üben dann spezifische Fallbeispiele in direkter Analogie zu der Simulation. Später, während einer Konferenz im Jahr 2011, die vom Deutschen Marshall Fund finanziert wurde, traf ich meinen früheren Mitarbeiter Steffen Kern. Herr Kern, der sich an unsere gemeinsame Zeit erinnerte, ist gegenwärtig Chefökonom der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde. Er gab mir bei dieser Gelegenheit einige ausgezeichnete Ratschläge für meine gegenwärtige Forschungsarbeit.

Mein Praktikum bildet das Fundament für meine fortwährende Beziehung zu Deutschland. Unmittelbar nach meinem Universitätsabschluss an der Stanford University kehrte ich für ein Jahr mit einem Bundestagsstipendium nach Deutschland zurück. Ich belegte Kurse an der Humboldt-Universität zu Berlin und absolvierte gleichzeitig ein viermonatiges Praktikum bei einem Bundestagsabgeordneten.

Immer wieder komme ich gerne zurück nach Berlin – als Touristin in 2007, aber auch im akademischen Kontext zu Konferenzen: im Jahr 2001 zu einer gemeinsamen Veranstaltung von Freier Universität Berlin und Deutschem Marshall-Fund und 2014 war ich Gast an der Hertie School of Governance im Rahmen einer Kooperation mit dem Bundesfinanzministerium..

Bei diesen Folgebesuchen in Berlin bin ich jedesmal erstaunt über die ständigen Veränderungen der Stadt. Obwohl ich mit der deutschen Sprache immer noch gut vertraut bin, widerfährt es mir oft, dass im Gespräch – entgegen meiner Erfahrung im Jahr 1998 – heutzutage sofort ins Englische gewechselt wird, sobald man meinen Akzent hört.

Sonal Pandya, Ph.D., Stanford in Berlin-Studentin im Frühjahr 1998
Praktikantin bei Deutsche Bank Research, Frankfurt a. M., im Sommer 1998
Außerordentliche Professorin, Department of Politics, University of Virginia